Ein Like von Sophie Scholl

Eine junge Frau schaut in die Kamera und sagt: „Jetzt gerade fühle ich mich ein bisschen einsam, nicht mal Hans ist da.“ Ein Seufzer, der Blick geht zurück zur Kamera. „Ich würde so gerne mal wieder feiern ohne Schuldgefühle, mit Birnenschnaps und echtem Kaffee, einfach mal ohne Angst in die Zukunft schauen.“ Die Frau, die sich nach einem normalen Leben sehnt, ist Sophie Scholl, die Widerstandskämpferin der Weißen Rose. Das Video ist auf ihrem Instagram-Kanal @ichbinsophiescholl zu finden. Das heißt, es ist nicht wirklich ihr Kanal. Sophie Scholl, ihr Bruder und andere Mitstreiter*innen wurden 1943 von den Nationalsozialisten ermordet, nachdem sie Flugblätter verteilten, die zum Sturz des Nazi-Regimes aufriefen. Aber ihre Gedanken und Erfahrungen werden für die Plattform nacherzählt, als ob es damals schon Instagram gegeben hätte.

„@Ich bin Sophie Scholl“ ist ein Projekt vom Südwestrundfunk und Bayerischem Rundfunk, das anlässlich ihres 100. Geburtstags die letzten zehn Monate ihres Lebens in Echtzeit nacherzählt: Seit dem 4. Mai teilt Sophie jeden Tag Geschichten und Fotos aus ihrem Alltag im dritten Reich: Wie sie in München ankam, anfing zu studieren und schließlich an der Seite ihres Bruder zur Widerstandskämpferin wurde. Sie liest die ersten Flugblätter laut in die Kamera, sie sinniert über Gerechtigkeit und Solidarität, bestärkt ihren Bruder in seinen Ideen und schreitet schließlich selbst zur Tat. Die Schweizer Schauspielerin Luna Wedler spielt Sophie Scholl eindringlich, aber auch nahbar – im typischen Hochformat fürs Handy. „Wir wollten es etwas anders machen“, sagt Susanne Gebhardt vom SWR, die das Projekt initiiert hat. Es gebe schon viele Filme und Bücher über Sophie Scholl, aber nur wenig Beiträge, die junge Menschen dort erreichen, wo sie sind, nämlich in den Sozialen Netzwerken. In den Videos und Posts kommt man Sophie Scholl auch emotional nahe und erfährt dabei Einzelheiten aus ihrem Leben, die es nicht in die Schulbücher geschafft haben. Wie gern sie Flöte gespielt hat zum Beispiel. Oder dass ihr Bruder Hans sie „der Soffer“ nannte. Wie lebensfroh sie war. Und wie sie über die Liebe dachte. „Wir wollten Sophie Scholl persönlich erzählen, auf einer Plattform, die ins Leben der anderen blicken lässt“, so Gebhardt. Man lernt sie dabei nicht nur als politische Widerstandskämpferin, sondern auch als Menschen näher kennen, mit Hoffnungen, Ängsten und Träumen.

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