Woher kommt die Orientierung?

Es ist dunkel. Ich blicke mich um, aber sehe nichts. Meine Füße stolpern über Steine und verfangen sich im hohen Gras. Nach kurzer Zeit sind Schuhe und Hosenbeine nass. Kein angenehmes Gefühl. Was mir genau den Weg versperrt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, nur langsam erahnen. Sich zu bewegen ohne etwas zu sehen, ist ein seltsames Gefühl, ich fühle mich unsicher und schutzlos. Wie kann man sich orientieren, ohne den Weg zu kennen? Stehen bleiben ist bei diesem Experiment keine Lösung. Nach ein paar Minuten gewöhnt mein Körper sich an die verbundenen Augen und meine Schritte werden sicherer.

Orientierungslosigkeit kann auch eine befreiende Erfahrung sein – das zeigt der Audiowalk der Künstlerin Ilona Marti, der im Rahmen der Abschlusskonferenz des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes stattfand. Für ihre Soundinstallation „Beyond Vision“ hat Marti den Teilnehmer*innen die Augen verbunden und sie mit Kopfhörern ausgestattet, durch die Stimmen und Geräusche klangen: ein friedlicher Teich im Wald, eine Achterbahnfahrt auf der Kirmes, oder eine laute Gartenparty mit vielen Menschen. Die Worte aus den Kopfhörern tauchten als Bilder vor dem inneren Auge auf, nahmen Gestalt an und verschwanden dann wieder. Geführt wurden die Teilnehmenden an der Hand einer stillen Begleitperson. Ohne die führende Person jemals gesehen zu haben, musste dieser warmen Hand vertraut werden, die durchs reale Unterholz zu den spekulativen Orten der Erzählungen geführt hat.

Sich dort orientieren, wo Orientierung schwer fällt. Anderen Sinnen vertrauen, als den gewohnten. Unsicherheit zulassen. Die Führung anderen überlassen – das sind Herausforderungen, deren Meisterung sich für all jene lohnt, die sich in unbeständigen Branchen bewegen. Wie können sie sie sich im Raum orientieren? Wie bereiten sie sich auf die Zukunft vor? Wie können sie Orientierung finden? Wie sich orientieren? Diese Frage stellen sich auch die Akteur*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

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