Retten oder Töten?

Am Anfang stank es nach Urin, direkt neben der Garage, wo das Ehepaar Rothenberg das Brennholz lagert. Wann genau der Geruch auftauchte, können Barbara und Michael Rothenberg nicht mehr genau sagen. Vor einigen Monaten muss es gewesen sein. Der nächste Hinweis war ein Vogelhäuschen im Garten. Es stand verdächtig schief da, die Meisenknödel verschwanden spurlos über Nacht.Manchmal hören die beiden es jetzt an der Garage rascheln und rumoren. Das Ehepaar aus Frohnau bemerkt zu spät, wer auf dem Dach ihrer Garage eingezogen ist. Als Michael Rothenberg dann an der Garage ein Holzscheit zur Seite schiebt, blicken ihm zwei Waschbären direkt ins Gesicht. Die Rothenbergs haben Mitbewohner auf ihrem Grundstück, die keine Miete zahlen. Was sie zu diesem Zeitpunkt nur ahnen: Ist der Waschbär einmal eingezogen, wird man ihn so schnell nicht mehr los. Michael Rothenberg, 57, schiebt einen Holzpflock in das Loch, aber das Treiben geht weiter. „Die Viecher sind erfinderisch“, sagt er. Im Internet sucht er nach Hilfe. „Da wurde mir geraten, ein Radio aufzustellen“, erinnert er sich. Er solle Hundehaare auslegen, um die Waschbären zu vergraulen. Die Tipps enttäuschen ihn. „Meine erste Intention war es, einen Kammerjäger kommen zu lassen.“ Doch der fühlt sich nicht zuständig. Je länger die Waschbären im Garagendach leben, desto mehr Sorgen macht sich Rothenberg. „Schaden werden sie schon angerichtet haben“, ist er sich sicher. Was ist zu tun?

Hans-Jürgen Zschuppe würde den Rothenbergs gerne helfen. Dem Stadtjäger aus Berlin ist der Waschbär zuwider, er bekämpft ihn, wo er nur kann. In Brandenburg mit Lebendfallen, doch die sind in Berlin verboten. Das Problem werde von der Politik schöngeredet, sagt Zschuppe. Dabei sei der Waschbär für andere Tiere ein großes Problem. Vielen Menschen sei das egal, weil sie den Waschbären süß finden. „Der Waschbär ist ein Parasit, ein Nesträuber vom Allerfeinsten“, sagt Zschuppe. „Der ist nicht süß.“

Wenn Zschuppe nachts mit dem Wärmebildfernglas auf Streife geht, muss er tatenlos mit anschauen, wie der Waschbär seinen Siegeszug in die Innenstadt fortsetzt. Dabei ist es seine Aufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen. Wenn Tiere dem Menschen zu sehr auf die Pelle rücken, müssen sie weg. Zschuppe sagt: „Nur ein toter Waschbär ist ein guter Waschbär.“ Diese Meinung teilen längst nicht alle.

Fritzi, Paul und Marvin: Ohne die Tierärztin wären die Waschbären gestorben

Am allerwenigsten Mathilde Laininger. Die Tierärztin aus Zehlendorf teilt ihr Haus mit drei Waschbären. Es fing im Mai dieses Jahres mit Fritzi an. Kinder fanden sie in einem Fluss und brachten sie zu Laininger. Danach kam Paul, der neben seiner toten Mutter gefunden wurde, dann Marvin, die einarmige Waschbärin. Ohne Laininger wären die Tiere gestorben. Mit den drei Waschbären erfüllt Laininger sich einen Traum. Sie wollte schon als Kind einen Waschbären als Haustier haben.

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