Alles so schön sauber hier!

Eigentlich ist der Mercedes-Platz ein unauffälliger, beinahe banaler Ort. Ein kleines Stück lauter Architektur, wo sonst nur stille Wüste ist. Das Areal liegt zwischen Ostbahnhof und Warschauer Brücke, zwischen der Spree und den S-Bahn-Gleisen. Wüsste man nicht, dass er hier liegt, könnte man ihn übersehen. Sein Inneres bleibt lange verborgen, wie bei einer Muschel. Steht man endlich auf dem Platz, springen Fontänen aus Bodenplatten aus Granit, aus denen in zwei Reihen Medientürme aus Metall wachsen, die Werbebotschaften senden. Welcome to fabulous Berlin.

Es gibt keine Palmen. Dafür viel Systemgastronomie, ein Multiplex-Kino, zwei Rooftop-Bars und ein Bowlingcenter mit 28 Bahnen, theoretisch genug, um eine Weltmeisterschaft stattfinden zu lassen. An den metallverkleideten Fassaden hängen noch mehr Screens, auf denen synchron Werbung läuft: Junge, hippe Menschen skaten durch die Stadt – ein öffentlicher Platz als stets neu bespielbare Werbefläche.

Urbaner Raum Mercedes Benz Arena und Platz.

Von RAW-Gelände bis Amazon-Tower: Das neue Friedrichshain-Kreuzberg

Folgt man dem Strip, steht an dessen Ende die Mercedes-Benz-Arena, die dem Platz ihren Namen gibt. Hier spielen vor bis zu 17.000 Zuschauern das Basketballteam von Alba Berlin, die Eishockeyspieler der Eisbären, Stars wie Billie Eilish, die Hunde von Paw Patrol. Letztere diesen Monat gleich drei Mal in Folge (an einem Tag).

Seit der Mercedes-Platz 2018 eröffnete, hat sich Berlin, und vor allem Friedrichshain-Kreuzberg, stark verändert. Überall wird gebaut. Rund um das Ostkreuz entstehen Büroflächen mit Namen wie Pollux, b:hub, Zinc oder Aixis. Die „Gentrifizierung Ost“ ist ein Jahrzehnte altes Projekt, mit immer neuen Etappen. Auf der anderen Seite der Warschauer Straße wird über die Bebauung des RAW-Geländes diskutiert. Das Areal soll „entwickelt“ werden. Einige der Clubs werden weichen müssen.

Am Mercedes-Platz ist die Investorenkarawane längst durchgezogen. Was hat sie zurückgelassen? Wer nutzt diesen Platz – und warum? Haben sich die Hoffnungen von Politik und Wirtschaft erfüllt? Ist eine „Freizeitmeile für ein junges, durch und durch urbanes und aktives Publikum“ entstanden, wie es auf der Seite des offiziellen Hauptstadtportals vielversprechend heißt?

Stephan Pramme

Wer zum Platz möchte, muss erstmal den Weg finden. Auch nach dem Umbau der Warschauer Straße ist die Lage unübersichtlich. Wer sich auskennt, überquert die Brücke Richtung S-Bahn-Station, biegt vorher links ab und nimmt die Treppe Richtung Unterführung. Das sieht alles noch aus, wie man die Gegend kennt. Sehr viel Graffiti, klebrige Böden und Musikerinnen, die sich zur Rush Hour mit den Pendlern, Touristinnen und Ratten die engen Wege teilen.

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