Berlin – Es ist ein Freitagvormittag um 1880 in Berlin. An der Münzstraße verstopfen Pferdefuhrwerke den Weg. Menschen eilen die Straße entlang, um vor dem Schabbat noch letzte Besorgungen zu machen. Es ist laut und stinkt nach Essig. Von überall hört man das laute Jiddisch der Verkäufer. Vor dem Fleischgeschäft Sussmann steht eine lange Schlange, hier ist kaum Durchkommen. Man muss sich diese Straße wie ein großes Durcheinander vorstellen. Schick ist es in diesem Viertel nicht, aber dafür sind die Mieten günstig. Die Juden, die hier wohnen, haben nicht viel.
Es ist hier anders als in Charlottenburg, wo man Geld und einen Namen hat. Wo Armut herrscht, ist auch Kriminalität nicht weit. Deswegen macht die Polizei regelmäßig Razzien. Kinder rennen die Straße entlang. Ab und an, wenn niemand schaut, klauben sie Äpfel aus den Handkarren. Die Männer auf der Straße tragen schwarze Mäntel, breitkrempige Hüte und Schläfenlocken, einige der Frauen Perücken. Die meisten hier leben orthodox. Morgen werden sie sich in den Stibbelech treffen, den vielen Gebetsstuben in den Hinterhäusern der Grenadierstraße.
Etwa 150 Jahre später steht Sebestyén Fiumei in derselben Straße und macht einen Spaziergang. Es ist sehr ruhig, kaum jemand ist auf der Straße unterwegs – seltsam, wenn man bedenkt, dass die Münzstraße nicht weit ist, die Hauptschlagader des hippen Berlin-Mitte. „Es ist hier immer so ruhig“, sagt Fiumei und schlendert die Straße entlang. Keine Geschäfte, keine Karren, keine Menschen und: schon gar keine Gebetshäuser. Alles ist heute anders, selbst der Name. Aus der Grenadierstraße, dem Zentrum des ostjüdischen Berlins, ist die Almstadtstraße geworden, eine unscheinbare Gasse im Schatten des Fernsehturms. Nichts erinnert hier mehr an das wilde Durcheinander der Vergangenheit. Das heißt, kaum etwas.
Berlin – Es ist ein Freitagvormittag um 1880 in Berlin. An der Münzstraße verstopfen Pferdefuhrwerke den Weg. Menschen eilen die Straße entlang, um vor dem Schabbat noch letzte Besorgungen zu machen. Es ist laut und stinkt nach Essig. Von überall hört man das laute Jiddisch der Verkäufer. Vor dem Fleischgeschäft Sussmann steht eine lange Schlange, hier ist kaum Durchkommen. Man muss sich diese Straße wie ein großes Durcheinander vorstellen. Schick ist es in diesem Viertel nicht, aber dafür sind die Mieten günstig. Die Juden, die hier wohnen, haben nicht viel.
Es ist hier anders als in Charlottenburg, wo man Geld und einen Namen hat. Wo Armut herrscht, ist auch Kriminalität nicht weit. Deswegen macht die Polizei regelmäßig Razzien. Kinder rennen die Straße entlang. Ab und an, wenn niemand schaut, klauben sie Äpfel aus den Handkarren. Die Männer auf der Straße tragen schwarze Mäntel, breitkrempige Hüte und Schläfenlocken, einige der Frauen Perücken. Die meisten hier leben orthodox. Morgen werden sie sich in den Stibbelech treffen, den vielen Gebetsstuben in den Hinterhäusern der Grenadierstraße.
Etwa 150 Jahre später steht Sebestyén Fiumei in derselben Straße und macht einen Spaziergang. Es ist sehr ruhig, kaum jemand ist auf der Straße unterwegs – seltsam, wenn man bedenkt, dass die Münzstraße nicht weit ist, die Hauptschlagader des hippen Berlin-Mitte. „Es ist hier immer so ruhig“, sagt Fiumei und schlendert die Straße entlang. Keine Geschäfte, keine Karren, keine Menschen und: schon gar keine Gebetshäuser. Alles ist heute anders, selbst der Name. Aus der Grenadierstraße, dem Zentrum des ostjüdischen Berlins, ist die Almstadtstraße geworden, eine unscheinbare Gasse im Schatten des Fernsehturms. Nichts erinnert hier mehr an das wilde Durcheinander der Vergangenheit. Das heißt, kaum etwas.
Volltext hier