Adrenalin ist unser Antichrist“

Wie ist es, wenn man bei minus 28 Grad unter Wasser die Luft anhält? Was geht einem durch den Kopf, kurz bevor man 130 Meter in die Tiefe gezogen wird? Apnoetaucher brauchen unter Wasser keine Sauerstoffflasche – sie tauchen nur mit ihrem eigenen Atem. Das können alle Menschen, meint Anna von Boetticher , die Spaß daran hat, Körper und Geist immer weiter herauszufordern. Aber was macht man eigentlich, wenn man tief unter Wasser plötzlich ohnmächtig wird?

ZEITmagazin ONLINE: Sie sind die erfolgreichste Apnoetaucherin Deutschlands. Tauchen mit einem einzigen Atemzug, ohne zwischendurch Luft holen zu können – warum tut man sich das an?

Anna von Boetticher: Es liegt in der Natur des Menschen, unsere Grenzen auszuprobieren. Genauso wie auszuprobieren, wie schnell man rennen, wie hoch man springen oder wie hoch auf einen Baum man klettern kann. Den Tauchreflex teilen wir mit allen Meeressäugern, aber auch mit allen Säugetieren und Vögeln. Der ist in Neugeborenen noch sehr stark, aber geht dann über die Zeit verloren. Wenn man Apnoe trainiert, wird der wieder stärker. Der Mensch ist ein Anpassungswunder. Man kann sich an alles anpassen. Auch an Kälte. Die Leute, die am Polarkreis praktisch barfuß Marathon machen, haben ihren Körper da Stück für Stück dran gewöhnt.

ZEITmagazin ONLINE: Ist Apnoetauchen nur was für Extremsportler?

Von Boetticher: Nein, jeder kann es lernen. Wir werden oft zu den Adrenalinjunkie-Sportarten gezählt, aber Adrenalin ist für uns die komplette Katastrophe, es ist der Antichrist. Die Herzfrequenz geht hoch, die Gefäße erweitern sich, das Gegenteil von dem, was mir hilft, tief zu tauchen. Wir brauchen die absolute Ruhe. Das Entdeckenwollen der Umwelt und auch des Selbst ist eine treibende Kraft der Menschheit, etwas, das in unserer Natur liegt. Beim Apnoetauchen geht es nicht darum, die Natur zu bezwingen, sondern darum, sich anzupassen. Auch jeder Bergsteiger lernt immer wieder, wie klein er ist . Der Gewalt der Natur kann man nichts entgegensetzen, man kann nur versuchen, mit ihr umzugehen. Ich war gerade in Grönland bei minus 27 Grad tauchen. Und ja, es war wirklich sehr kalt und an der Grenze von dem, was machbar war.

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