Die Idee das Ruhrgebiet zu bereisen, entwickelte sich nach und nach zu einem handfesten Plan. Wir standen noch am Anfang unserer wissenschaftlichen Karriere. Unser Ziel war es, eine eigene Methode zur Erforschung von Regionen zu begründen. Eine Gegend wie das Ruhrgebiet, die sich mitten im in- dustriellen Wandel befindet, war dafür die ideale Grundlage. Warum Orte bereisen, die für alle Fragen bereits funktionierende Lösungen entwickelt haben. Wir wollten in eine Gegend fahren, die vor allem als Beispiel für schlechte oder nicht vorhandene Lösun- gen bekannt ist. Unser Vorhaben war klar: Dahin gehen, wo man noch Fragen formulieren kann.
Wir hatten also zwei Aufgaben: Das Ruhrgebiet
verstehen und währenddessen eine eigene Methode
entwickeln. Um die Gegend als Ganzes zu erfassen,
mussten wir mobil sein. Wir brauchten ein Auto
und damit entschied sich auch die Form unserer
Forschung: Roadtrip Ruhrgebiet. In der Hoffnung,
zwischen den Städten und unter dem Menschen he-
rauszufinden, was das Ruhrgebiet bedeutet, fuhren
wir los. Am Ende sollte ein Bild der Region entste-
hen, dieser ungefähren Landschaft, kurz vor dem
Kohleausstieg 2018.
Während der Reisen verwandelten wir uns abwech-
selnd in Journalistinnen ohne Story, Ethnologinnen
im Wahn und Archivarinnen des Alltags. Wir fuh-
ren dorthin, wo Deutschland vielleicht wirklich eine
Metropole hat und dorthin, wo man zugleich nicht
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sicher sein kann, ob man schon in Herne ist, oder
noch in Castrop-Rauxel. Nebenbei wurden wir zu
Krankenschwestern einer Region, Bestatterinnen in
Ausbildung, häßlichen Fans und hilflosen Touristen.
So saßen wir also im Frühling 2018 im ICE von Ber-
lin in Richtung Essen. Den Koffer voll mit Literatur,
Kamera, Notizblock, Klemmbrett und Aufnahme-
gerät. Wir fühlten uns vorbereitet. In Essen wurden
wir von einer Dame erwartet, bei der wir die nächs-
ten Wochen wohnen würden. Sie nannte sich selbst
Mama Gucci, war unsere Ansprechpartnerin vor
Ort, und erklärte sich freundlicherweise bereit, uns
ihren Fiat 500 Gucci Edition zu leihen.
Im Rückblick war es naiv, ja geradezu fahrlässig ge- wesen, zu glauben, das Ruhrgebiet würde uns wider- standslos geben, wonach wir suchten. Der Plan sah vor, dass wir mit unseren Fähigkeiten ins Feld gehen würden, nicht ahnend, dass unsere Forschung nach Monaten der Reise noch nicht abgeschlossen sein würde. Hier ging es nie um konkrete Antworten, und das ist uns nun klar, sondern darum, wie man finden kann, ohne zu suchen.
Die Idee das Ruhrgebiet zu bereisen, entwickelte sich nach und nach zu einem handfesten Plan. Wir standen noch am Anfang unserer wissenschaftlichen Karriere. Unser Ziel war es, eine eigene Methode zur Erforschung von Regionen zu begründen. Eine Gegend wie das Ruhrgebiet, die sich mitten im in- dustriellen Wandel befindet, war dafür die ideale Grundlage. Warum Orte bereisen, die für alle Fragen bereits funktionierende Lösungen entwickelt haben. Wir wollten in eine Gegend fahren, die vor allem als Beispiel für schlechte oder nicht vorhandene Lösun- gen bekannt ist. Unser Vorhaben war klar: Dahin gehen, wo man noch Fragen formulieren kann.
Wir hatten also zwei Aufgaben: Das Ruhrgebiet verstehen und währenddessen eine eigene Methode entwickeln. Um die Gegend als Ganzes zu erfassen, mussten wir mobil sein. Wir brauchten ein Auto und damit entschied sich auch die Form unserer Forschung: Roadtrip Ruhrgebiet. In der Hoffnung, zwischen den Städten und unter dem Menschen he- rauszufinden, was das Ruhrgebiet bedeutet, fuhren wir los. Am Ende sollte ein Bild der Region entste- hen, dieser ungefähren Landschaft, kurz vor dem Kohleausstieg 2018.
Während der Reisen verwandelten wir uns abwech- selnd in Journalistinnen ohne Story, Ethnologinnen im Wahn und Archivarinnen des Alltags. Wir fuh- ren dorthin, wo Deutschland vielleicht wirklich eine Metropole hat und dorthin, wo man zugleich nicht
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sicher sein kann, ob man schon in Herne ist, oder noch in Castrop-Rauxel. Nebenbei wurden wir zu Krankenschwestern einer Region, Bestatterinnen in Ausbildung, häßlichen Fans und hilflosen Touristen.
So saßen wir also im Frühling 2018 im ICE von Ber- lin in Richtung Essen. Den Koffer voll mit Literatur, Kamera, Notizblock, Klemmbrett und Aufnahme- gerät. Wir fühlten uns vorbereitet. In Essen wurden wir von einer Dame erwartet, bei der wir die nächs- ten Wochen wohnen würden. Sie nannte sich selbst Mama Gucci, war unsere Ansprechpartnerin vor Ort, und erklärte sich freundlicherweise bereit, uns ihren Fiat 500 Gucci Edition zu leihen.
Im Rückblick war es naiv, ja geradezu fahrlässig ge- wesen, zu glauben, das Ruhrgebiet würde uns wider- standslos geben, wonach wir suchten. Der Plan sah vor, dass wir mit unseren Fähigkeiten ins Feld gehen würden, nicht ahnend, dass unsere Forschung nach Monaten der Reise noch nicht abgeschlossen sein würde. Hier ging es nie um konkrete Antworten, und das ist uns nun klar, sondern darum, wie man finden kann, ohne zu suchen.
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